Dienstag, 12. September 2017

Erster Schultag & Co.

Wie bereits erwähnt, geht Familie hier über alles, und deshalb feiert man auch alle Geburtstage mit der Familie. Und tada!, den ersten Geburtstag habe ich erfolgreich hinter mich gebracht! Und zwar den von meiner superlieben Gastmutter Shesy, die sich eine Besteigung des Cotopaxis gewünscht hat. Mit 5897 m ist dieser der höchste noch aktive Vulkan in Ecuador und einer der höchsten Vulkane der Erde (nur zum Vergleich, der höchste Berg Deutschlands, die Zugspitze, ist 2962 m hoch, aber das ist hier gar nichts, und wenn man das erzählt, wird man ausgelacht). Man kann bis zu 5000 m hoch und das ist soooo verdammt anstrengend! Trotzdem, gemeinsam mit meinem Gastvater und meiner Cousine Flor habe ich es bis nach "ganz oben" geschafft - immerhin bis zum Gletscher, der im Moment nur ganz klein ist, denn der Cotopaxi ist 2015 das letzte Mal ausgebrochen. Deshalb ist das Gestein auch noch warm. Und ganz ehrlich: es ist einfach nur komisch, wenn man neben sich einen Gletscher hat, dann einen Stein in die Hand nimmt und der warm ist. Komisch und ein bisschen gruselig, aber es lohnt sich. 

Mit meiner Cousine Flor auf dem Gletscher

Bevor Marco uns eingeholt hat, haben wir uns zu viert an den Aufstieg gemacht: mit meiner Gastschwester Anita, einem Freund der Familie, Ray, dessen Namen ich leider immer noch nicht richtig aussprechen kann, und mit der bereits erwähnten Cousine Flor. Zusammen haben wir Anitas ersten Schnee erlebt, viele (natürlich wunderschöne) Fotos gemacht und uns gegenseitig aufgewärmt, wenn einer mal wieder zum Eiszapfen geworden war. 



Versteht mich nicht falsch, es hat sich absolut gelohnt und wir hatten trotz allem viel Spaß, aber ganz ehrlich, der Aufstieg war die absolute Hölle, besonders ab 4500 m. Naja, dadurch habe ich meine gleichaltrige Familie zumindest schon richtig kennengelernt. Abends sind wir dann noch an einen See gefahren und haben den Cotopaxi während des Sonnenuntergangs erlebt, was einfach nur wunderschön war. Also, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ecuador lohnt sich als Reiseziel.

Der Cotopaxi während des Sonnenunterganges
Die beste Gastfamilie auf der ganzen Welt


Kommen wir zum nächsten Punkt, der wohl einer der wichtigsten meines Auslandsjahrs werden wird: die Schule!
Jupp, am Montag hatte ich meinen ersten Schultag (in wunderschöner Schuluniform natürlich), und zumindest in den Englischstunden verstehe ich alles. Nein, im Ernst, mein Spanisch funktioniert mit meinen Mitschülern ganz gut, auch wenn es bei den Lehrern noch ein bisschen zu wünschen übrig lässt, aber die sprechen auch extrem schnell... :(
Das Schulsystem ist hier anders: man muss sich nach jedem Schuljahr neu anmelden und die Schule hier ist einfach nur teuer, man bezahlt nämlich Schulgeld. An meiner Schule sind das 300$, dazu kommt noch die Schuluniform, die ich aber größtenteils aus zweiter Hand habe, und die ganzen importierten Bücher. Im großen und ganzen ist Ecuador wirklich ein billiges Land, aber hin und wieder kommt dann dieser Punkt, wo einem der Mund aufklappt. Es mag ja sein, dass das importierte Englischbuch das beste von allen ist, aber ganz ehrlich, 200$ sind einfach nur übertrieben, zumal die Ecuadorianer Englisch sowieso nicht aussprechen können, zumindest zu 90%. Die Bildung ist hier mit Abstand schlechter, als in Deutschland und trotz des auf den ersten Blick extrem strengen Systems ist die Schule hier superentspannt.
Hier ein paar Beispiele:
  • man spricht die Lehrer mit "Profe" und dem Vornamen an, wenn man die-/denjenigen mag, auch gerne mit Verniedlichung.
  • Melden wird überbewertet.
  • klar, offiziell sind Handys verboten, aber die liegen überall auf den Tischen, und es macht nichts, wenn es mal im Unterricht klingelt, deshalb passiert das auch ständig.
  • es kommt schon mal vor, dass drei Lehrer hintereinander nicht erscheinen, das kümmert aber niemanden.
  • Unterricht bedeutet nicht Lernen, sondern vor allem Austausch von allem möglichen Mist .
Trotzdem, in bestimmten Dingen wird Disziplin gefordert:
  • wenn du deine Schuluniform nicht trägst, wirst du nach Hause geschickt, um dich umzuziehen, außer du hast eine Entschuldigung mit Begründung der Eltern dabei.
  • wenn du eine zusätzliche Jacke trägst, wird die einkassiert, und du kannst sie dir am Ende des Semesters wieder abholen (kurze Anmerkung: in diesen Klassenräumen ist es unglaublich kalt, und man friert sich jedes Mal den Arsch ab).
  • es kommt schon mal vor, dass der "Inspector", den es hier tatsächlich gibt, dich auffordert, die Sportjacke zu öffnen, um zu schauen, ob du wirklich nur das korrekte T-Shirt darunter trägst.
Meiner Meinung nach hat eine Schuluniform mehr Vor- als Nachteile, denn man gehört irgendwie direkt zur Gruppe dazu. Außerdem kann man sich nicht durch seine Kleidung hervorheben. Klassifizierung findet zwar trotzdem statt, aber es dauert länger, die Menschen einzuschätzen, das geht nicht in 5 Minuten, sondern da braucht man schon mal eine Woche für. An den Tagen, an denen du Sport hast, musst/ darfst du in Jogginghose zur Schule gehen, ohne dass dich jemand dafür verurteilt, denn das ist ja Pflicht :)
Ich habe eine zum Teil sehr lustige Klasse, in der ich total lieb aufgenommen wurde. Meine Pausen verbringe ich normalerweise mit vier Mädchen, die mir gerne alle unbekannten Vokabeln erklären und mindestens genauso gerne Witze auf Kosten der Deutschen machen, im Unterricht erklärt mir die Jungsreihe hinter mir und den anderen Mädchen superlieb alle Zusammenhänge (oder schreibt auch mal ab, wenn der Lehrer mal wieder zu schnell oder sie zu langsam waren).
Den Spruch "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" gibt es hier nicht. Wenn der Lehrer das erste Mal fragt, ob man mit der Aufgabe fertig ist, fängt man vielleicht mal mit der Überschrift an, aber auch nur, wenn man denjenigen mag. Klar, es gibt Ausnahmen, aber die sind sehr, sehr selten.
Zusammengefasst ist die Schule hier der Ort, an dem man seine Freunde trifft, nicht mehr, nicht weniger. Dafür machen hier aber alle ihre Hausaufgaben... außer mir, wenn ich mal wieder nicht verstanden habe, dass wir Hausaufgaben aufhaben. Inzwischen frage ich immer nach, ob und was wir machen sollen, aber es hat  etwa vier Tage gedauert, bis ich mir das angewöhnt hatte. Glücklicherweise sind meine Noten hier ja vollkommen irrelevant.
Tja, und am Freitag war ich dann auf der ersten richtigen Party meines Lebens. Es war... spannend? Interessant? Das ist ganz sicher nicht meins, aber meine Gastschwester hat mit mir ausgehandelt, dass ich mitkomme, wenn sie auf Partys geht... Glücklicherweise ist sie auch keine extreme Partygängerin, nur alle ein bis zwei Monate mal, und das ist hier extrem selten. Ich schätze, daran muss ich mich gewöhnen. 
Also, die ersten zwei Wochen habe ich glücklich und gesund hinter mich gebracht, ich gewöhne mich an das Leben hier, kenne schon die ersten Beleidigungen (wie gesagt, ich sitze direkt vor der Jungsreihe) und finde mich auch in der Schule gut zurecht.
Alles so, wie es sein soll!
Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal,
Annika

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