Donnerstag, 21. September 2017

Gottesdienst und Marschieren

Also, wenn alle katholischen Kirchen so sind, wie die, in der wir am Sonntag waren, ist mir diese Konfession irgendwie lieber. Das ist nämlich kein Gottesdienst, das ist eine einzige Riesenparty (jedenfalls von der Stimmung her...), allerdings hat mich meine Cousine schon darüber aufgeklärt, dass das ganz sicher nicht immer so ist und vom "Padre" abhängt. Dieser war jedenfalls ziemlich entspannt: die ersten paar Minuten seiner Predigt - wobei ich mir nicht sicher bin, ob man das wirklich als solche bezeichnen kann - hat er sich nach dem Befinden erkundigt ("Und es ist auch wirklich nicht zu kalt...?"), worauf die Gemeinde ihm im Kollektiv antwortete. Der Lauteste bekam dann eine Antwort und eine neue Frage. Der Padre hat bestimmt 20 Minuten geredet und etwa 5 davon gepredigt. Ich habe bis jetzt nicht verstanden, wozu man 11 (ich habe dreimal nachgezählt!) Messdiener braucht, aber auch das variiert wohl, denn es werden einfach alle genommen, die sich melden. Die Kirche, die zwar kleiner als St. Marien in Lemgo ist, aber trotzdem noch groß, war so gut besucht, dass überall an den Seiten noch Leute stehen mussten - das ist hier anders, denn normalerweise geht man jeden Sonntag in die Kirche. Irgendwie haben alle gute Laune, die kommt aber auch von selbst, wenn man bei allen Liedern mitklatscht. Ich kam mir ein bisschen bescheuert vor, aber was soll's, mir gefällt diese Mentalität eindeutig besser als die deutsche.

Im Hintergrund einige Messdiener, der Rest sitzt rechts außerhalb des Fotos :)
Kommen wir zum nächsten Punkt: das Marschieren. 
Tja, Leute, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das jetzt besser kann als ihr, ich mache das nämlich seit drei Wochen jeden Mittwoch und Donnerstag zwei Stunden, inzwischen noch mehr, denn am nächsten Dienstag ist der día de la bandera, der "Tag der Fahne", bei dem man auf die Fahne schwört, Ecuador zu beschützen (oder so ähnlich). Nach 2 Stunden Marschieren ist man echt fertig, man glaubt gar nicht, wie anstrengend das ist, 2 Stunden mehr oder weniger auf der Stelle zu gehen.

Meine sich ausruhende Klasse... natürlich mit Schuluniform
Patriotismus wird hier insgesamt um einiges mehr geschätzt und gefördert als in Deutschland: jeden Montag nehmen die "minutos cívicos" eine halbe Stunde in Anspruch. 
Man stellt sich wunderschön in Reihen auf, rechts die Jungen, links die Mädchen, und dann wird erst die Nationalhymne gesungen (natürlich mit der Hand auf dem Herz), dann die Schulhymne, und dann redet der Schulleiter noch über Werte und Moralvorstellungen. 



Die Hymne ist hier bei den Jungendlichen allgemein verhasst, denn man wird ja dazu gezwungen, sie ständig zu singen, während man in der Sonne steht, die einem direkt in die Augen scheint. Die Schulhymne kann ich persönlich echt nicht ernstnehmen, dafür erinnert die mich viel zu sehr an Jahrmarktsmusik. Da bin ich allerdings nicht die einzige, auch wenn meine Mitschüler ein anderes Problem haben: offensichtlich ergibt der Text überhaupt keinen Sinn, das merke ich allerdings nicht. Bis Dienstag muss ich beide Hymnen auswendig können... (Nicht schön. Es ist echt schwer, einen Text auswendig zu lernen, den man nicht versteht.) Im Zweifelsfall bewege ich einfach irgendwie die Lippen, aber da ich das Ganze noch etwa 40 Mal (wie gesagt, jede Woche Montag) brauchen werde, lohnt es sich vermutlich wirklich, sich einmal anzustrengen.

An 3 Tagen trägt man den Rock...
...an den anderen die wirklich unglaublich hässliche Sportuniform
Eine weitere Sache, über die ich mich sehr freue: ich spiele jetzt zwei Mal pro Woche im Orchester des Conservatorio Nacional de Música de Ecuador. Das Orchester ist zwar nicht besonders gut, aber wir sind sechs Bratschen, und auch hier ist das einfach die sympathischste der Stimmgruppen😊. Ansonsten gibt es zwar nur fünf Celli, dafür aber genauso viele Klarinetten und Trompeten... keine Ahnung, was die die ganze Zeit machen. Morgen geht es wieder einmal nach La Paz, den ersten Ort, den ich hier in Ecuador richtig kennengelernt habe, dieses Mal aber mit der Großfamilie, auch der aus Quito.


Zusammengefasst: meine Spanischkenntnisse verbessern sich mit jedem Tag ein bisschen mehr, ich beginne langsam, aber sicher, die Kultur und Mentalität zu durchschauen und organisiere mein Leben hier.
Bis dann und liebe Grüße aus Ecuador, ich vermisse das schlechte Wetter überhaupt gar nicht,
Annika

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